Liebe Gäste,

seien Sie herzlich willkommen in den wahrhaft historischen Räumen des „Il Gabbiano da Vito“ im Hause Obermeyer.

Unser denkmalgeschütztes Fachwerkhaus im Herzen der Innenstadt steht mit seinem Baustil für die Epoche der Weserrenaissance ebenso wie für viele unterschiedliche Abschnitte der Stadtgeschichte.

1618 wurde der Fachwerkbau errichtet. Wie damals fast alle Häuser erfüllte das Haus mit seiner prächtigen Fassade nicht nur repräsentative Zwecke, sondern vor allem auch praktische: Noch heute sind in den Obergeschossen zwei Türöffnungen sichtbar, in die über einen Lastzug Vorräte eingelagert wurden.

Das Haus durchlebte eine wechselvolle Geschichte. Es war im 18. Jahrhundert Wohnhaus eines Stadt-Musikus – den sich die Stadt Salzuflen (damals noch ohne „Bad“) leistete – wie auch schon einmal Gasthaus, Einzelhandelsgeschäft und immer auch Mittelpunkt von Menschen und ihren Familien.

DAS DUNKELSTE KAPITEL DES HAUSES WOLLEN WIR DABEI NICHT VERSCHWEIGEN:

Die jüdische Familie Obermeyer betrieb seit 1900 in diesen Räumen ein florierendes Haushalts- und Eisenwarengeschäft. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten 1933 setzte im damaligen Deutschen Reich eine immer stärker zunehmende Verfolgung von Menschen jüdischen Glaubens ein. Darunter litten auch Sigfried Obermeyer und seine Frau Amalia (geb. Scheiberg, Jahrgang 1895) mit ihren beiden Kindern Ernst (Jahrgang 1920) und Hans (Jahrgang 1928) Boykott-Aktionen und Überfälle durch SA-Männer sowie andere Drangsalierungen – noch einem verstärkt durch die sogenannten „Nürnberger Gesetze“ vom 15.09.1935 – mehrten sich und machten das Leben in Bad Salzuflen und in Deutschland für jüdische Familien wie die Obermeyers immer mehr zur Qual.

in der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 zerstörten ortsansässige Nationalsozialisten die hinter dem Haus Lange Straße 41 gelegene Synagoge und verwüsteten das Ladenlokal. Zwangsweise musste Sigfried Obermeyer sein Geschäft Ende 1938 schließen. Nach Verhandlungen, die sich über mehr als ein halbes Jahr hinzogen, verkaufte Sigfried Obermeyer am 26.7.1939 das unter „Heimatschutz“ stehende Gebäude Lange Straße 41 für 36.000 Mark an die Stadt Bad Salzuflen. Über den Verkaufserlös konnte er allerdings nicht verfügen, da das Geld auf ein Sperrkonto der Deutschen Bank in herford überwiesen wurde.

Bereits ein Jahr zuvor hatten die Obermeyers ihren ältesten Sohn Ernst in Sicherheit gebracht. Der damals 18-Jährige emigrierte 1938 nach Waalwijk (Niederlande). Der zweite Sohn Hans gelangte im Alter von elf Jahren, mit einem „Kindertransport“ auf die britischen Inseln. Die Eheleute selbst konnte ihre seit dem 38.8.1938 vorliegende Genehmigung zur Ausreise nach England wegen des vier Tage später beginnenden Weltkriegs nicht mehr nutzen. Sie mussten fortan mit anderen Menschen jüdischen Glaubens in ihrem ehemals eigenen Haus wohnen, das die Verwaltung zu einem so genannten „Judenhaus“ umfunktioniert hatte.

Am 10.10.1939 verließen sie ihre Heimatstadt Bad Salzuflen und verzogen nach Herford. Von dort flüchteten Amalia und Siegfried Obermeyer am 28.4.1940 nach Luxemburg. Ihr in Rotterdam eingelagertes Umzugsgut wurde infolge der Bombardierungen der Stadt durch die deutsche Luftwaffe im Mai 1940 vernichtet. Zur gleichen Zeit besetzten deutsche Truppen Luxemburg und die Obermeyers gerieten, knapp einen Monat nach ihrer Flucht, erneut in die Hände der Nationalsozialisten. Am 16.10.1941 wurden die Eheleute in das Ghetto von Lodz (Litzmannstadt) deportiert. Siefried Obermeyer verstarb dort am 16.9.1942, seine Ehefrau Amalia folgte ihm am 29.4.1944. Der seit 1938 in den Niederlanden lebende älteste Sohn Ernst wurde am 29.8.1942 in das Internierungslager Westerbork verschleppt, wenig später von dort nach Auschwitz deportiert, wo er am 2.1.1942 ermordet wurde.

Hans Obermeyer, einziger Überlebender der Familie, siedelte im Januar 1947 in die USA über. Er wurde amerikanischer Staatsbürger und lebt heute in der Nähe von New York.

Zwischen 1979 und 1981 wurde das Gebäude von der Stadt Bad Salzuflen für Museumszwecke umgebaut. Hier zog im Sommer 1982 das „Stadt – und Bädermuseum“ mit seiner umfangreichen Dokumentation der Stadtgeschichte ein und zeigte als „Deutsches Bädermuseum“ fortan auch zugleich die größte Sammlung von Brunnen- und Badegläsern deutscher Kurorte. Zudem wurde mit der Bennenung „Stadt- und Bädermuseum im Haus Obermeyer“ auch den vorherigen Besitzern gedacht, deren Schicksal damit unvergessen bleiben soll.

Auf Beschluss der Stadt wurde das Gebäude 2009 zum Verkauf gestellt und das Museum im Oktober 2010 geschlossen. Als langjährige Bad Salzufler Einwohner und (fast) Nachbarn dieses Hauses waren wir schnell dazu entschlossen, Teil der Vergangenheit und der Zukunft dieses Gebäudes zu werden.

Nach umfangreichen Sanierungs- und Umbaumaßnahmen konnten wir hier im November 2011 unseren ganz persönlichen Traum erfüllen und das „Il Gabbiano da Vito“ 16 Jahre nach der Erst-Eröffnung an neuer Stätte einweihen.

Wir fühlen uns der Geschichte dieses Hauses verpflichtet und wollen Erinnerungen erhalten, weitertragen und dieses historische Kleinod für zukünftige Generationen sichern. Dafür setzen wir uns mit unserem Team gemeinsam mit vielen Menschen in der Stadt ein. Besonders bedanken wir uns bei Herrn Franz Meyer für die Beratung und Unterstützung bei der Zusammenstellung der Geschichte unseres Hauses.

Wir freuen uns, dass Sie für eine Zeit unser Gast sind – und damit auch ein Teil der Geschichte, der Gegenwart und der Zukunft des hauses Lange Straße 41 von 1618.

Ihre Gastgeber
Carmen e Vito Piras